Pathophysiologie

Aufgrund des zunehmenden Mangels an weiblichen Sexualhormonen in Klimakterium und Postmenopause und des schließlich vollständigen Sistierens der Östrogenproduktion im Senium kommt es infolge verminderter Zellproliferation zu einer deutlichen Reduzierung der Schichtdicke des Vaginalepithels von etwa 10 auf 2 – 3 Schichten. Im zytologischen Abstrich finden sich dann typischerweise vorwiegend Parabasalzellen, auch in Form von Nacktkernen und atrophischen Zellkohäsionen. Wegen des Glykogenmangels bei unzureichender Ausreifung des Vaginalepithels ist zudem häufig die Döderleinflora gestört, so dass es – bedingt durch den fehlenden Säureschutz (pH > 6) – leicht zur Besiedlung der Vagina mit pathogenen Keimen kommt. Zytologisch findet sich dann das Bild der atrophischen Kolpitis mit den typischen klinischen Zeichen, d.h. Fluor und Blutungsneigung bei vulnerabler Vagina.

 

Klinik

Auch ohne akute Entzündung klagen die Patientinnen bei atrophischem Vaginalepithel häufig über Trockenheitsgefühl, Brennen und Dyspareunie, ferner über rezidivierende Blasenentzündungen und häufig auch über Symptome der Harninkontinenz.

 

Zytologie

Das Hauptproblem bei Vaginalatrophien besteht für den Zytologen naturgemäß in der Erkennung dysplastischer Zellen im sog. atrophischen Abstrich. Die unterschiedliche Chromatindichte bei den verschiedenen Formen des Zelluntergangs „Pyknose, Rhexis und Lyse” kann bisweilen diagnostische Probleme bereiten. Auch die Abgrenzung gegenüber unreifen Metaplasiezellen fällt oftmals schwer. Insgesamt ist somit die Beurteilung und Definition dysplastischer Epithelien in einem atrophischen Abstrich häufig schwierig, aber von weitreichender Konsequenz. Dyskaryosen in Parabasalzellen entsprechen einer schweren Dysplasie der Pap-Gruppe IVa. Das hat bei leitliniengerechter Abklärung die direkte histologische Sicherung zur Folge. Es empfiehlt sich deshalb fast immer, eine Abstrichkontrolle nach sog. vaginaler Aufhellung zu veranlassen, d.h. nach 10-tägiger intravaginaler (lokaler) Applikation von Vaginalovula mit 0,5mg Östriol täglich*. In einigen Fällen fällt dann doch der Schweregrad der Dysplasie geringer aus als erwartet.

 

Kolposkopie

Die Kolposkopie als weiterführende Methode zur Abklärung auffälliger zytologischer Befunde ist bei der Atrophie leider oft wenig hilfreich: Neben dem Bild einer geschlossenen Transformationszone mit Ovula Nabothi und offenen Drüsen findet sich oft eine originäre Portio, häufig mit durchscheinenden Gefäßen und/oder kleinen Blutungsherden. Entscheidend ist, dass die Grenze zum einschichtigen zervikalen Drüsenepithel in den allermeisten Fällen nicht einsehbar und so der Kolposkopie-Befund zytodiagnostich nicht verwertbar ist (Kolp.-Befund: T3). Bei nicht einsehbarer Transformationszone infolge Atrophie bietet sich zur weiteren Abklärung bei Verdacht auf CIN II / III eher die diagnostische Zervix-Abrasio und bei Verdacht auf CIN III obligat zusätzlich die Konisation in Form eines schmal präparierten spitzen Kegels an – anstatt Probe-Exzisionen an einer gesunden Portiooberfläche vorzunehmen.

Merke:

Auch bei Vaginalatrophien gilt die Übergangszone zwischen Drüsen- und Plattenepithel an der Cervix uteri mit den dort ansässigen regenerativen Stammzellen (Reservezellen) als primärer Angriffspunkt für die Dysplasie-auslösenden humanen Papilloma-Viren (HPV). Das heißt: Es ist aufgrund der Östrogenmangel-bedingten Rückbildungsprozesse davon auszugehen, dass – im Falle einer Dysplasie – die auffälligsten dysplastischen Zellen in einem optisch nicht einsehbaren Bereich innerhalb des Zervikalkanals lokalisiert sind. Somit findet sich bei einer Atrophie klinisch häufig kein sichtbares Korrelat für einen auffälligen zytologischen Befund. Trotzdem sollte diese Tatsache den umsichtigen Diagnostiker nicht davon abhalten, auch die atrophische Portio uteri zu kolposkopieren.

Expertise

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