Eine schonende Befundsanierung setzt die Kolposkopie voraus

Die Kolposkopie ist zu Lasten der GKV nicht abrechnungsfähig. Diese fachärztliche Leistung wird daher – insbesondere in den alten Bundesländern – von manchen Fachärztinnen/-ärzten vernachlässigt. Nicht zu übersehen ist allerdings auch, dass das Interesse ambitionierter Gynäkologinnen/Gynäkologen an KolposkopieKursen, die vom Berufsverband gefördert und angeboten werden sollten, wächst. Vor dem Hintergrund wachsender Diskussionen um den Stellenwert der Zytologie bei der sekundären Prävention der Zervixkarzinome (siehe IQWIG-Studie) sollte die klinische Diagnostik sinnvoll gestärkt werden. Damit könnte einerseits dem Wunsch nach einer persönlichen, patientinnenorientierten Diagnostik und andererseits einem hohen Qualitätsanspruch Rechnung getragen werden. Die Vernachlässigung klinischer Untersuchungsmethoden, insbesondere der Kolposkopie bei der Abklärung von Zervixveränderungen wird ansonsten dazu beitragen, dass der molekolarbiologischen Diagnostik eine unangemessene Übergewichtung eingeräumt wird und die sekundäre Prävention der Zervixkarzinome zunehmend – patientinnenfern – eine Domäne der Labormedizin wird. Ganz abgesehen davon werden mit dem Einsatz der Kolposkopie bei der Abkärung eines Pap-IVa-Befundes die Weichen für eine weitgehend schonende Befundsanierung gestellt.

 

Bei Biopsien sollte man sich zervikalkanalnah orientieren

Die Kolposkopie sollte nach Markierung der Zervixläsion mit 5%iger Essigsäure (sog. Essigprobe) durchgeführt werden. Die Dokumentation der Befunde sollte auf der Basis der internationalen Kolposkopie-Nomenklatur „Barcelona 2002“ erfolgen (siehe Tab. 1). Besonders zu achten ist auf die Zylinderepithel-Plattenepithel-Grenze, d.h. bei größeren Transformationszonen (T-Zonen) sollte man sich zervikalkanalnah orientieren und nicht im Bereich der äußeren Ubergangszonen biopsieren. Zu beachten ist ferner, dass der Nachweis einer Dysplasie in den meisten Fällen am besten durch Entnahme von mindestens 3 Gewebsproben aus der frischen (aktuellen) TZone gelingt. Dieser Bereich repräsentiert den Bezirk des geringsten Widerstandes der Zervix gegenüber den humanen Papilloma-Viren (HPV). Biopsien aus der geschlossenen T-Zone sind meist weniger repräsentativ.

 

Nach Hochfrequenzschlingen-Resektion sind nur relativ geringe Blutungen zu erwarten

Hinsichtlich der Sanierung des jeweiligen pathologischen Befundes ist die Lokalisation der Zylinder-Plattenepithel-Grenze strategisch von sehr großer Bedeutung (siehe auch Tab. 1).

  • T1-Befunde (Grenze der Transformationszone auf der Zervixoberfläche gut einsehbar) bei CIN I-II eignen sich exzellent für eine schonende Sanierung mittels Anwendung der Hochfrequenzschlinge oder auch der Lasertherapie.
  • Bei T2-Befunden (Grenze in den Zervikalkanal hineinreichend, aber darstellbar) empfiehlt sich eher die Doppelschlingen-Resektion des suspekten Bezirks.
  • T3-Befunde (die endozervikale Komponente der Transformationsgrenze ist nicht voll einsehbar; häufig auch bei älteren Patientinnen) sind weiter die Domäne der Messerkonisation. Allerdings sollte man bei jungen Patientinnen und noch vorhandenem Kinderwunsch das Procedere sehr genau überdenken. Es sollte nach dem Prinzip „so schonend, aber auch so sicher wie möglich“ reseziert werden.

Die Zervixabrasio sollte immer erst nach Präparation des Resektats durchgeführt werden. Bei Patientinnen, die mittels Hochfrequenzschlingen-Resektionstechnik operiert werden können, ist mit wesentlich geringeren Blutungen und Nachblutungen zu rechnen. Dies bedeutet, dass sich die Patientinnen sehr schnell wieder fit fühlen. Auch haben diese Frauen eine deutlich bessere Prognose hinsichtlich späterer Schwangerschaftskomplikationen. Die Notwendigkeit einer operativen Sanierung nach bioptischer Befundsicherung bei Pap IVa ergibt sich auch aus den statistischen Erhebungen von A.G. Östör (1993) bezüglich Befundpersistenz und Weiterentwicklung der Läsion zum invasiven Zervixkarzinom bei CIN III:

  • Spontane Rückbildung in 32%,
  • Befundpersistenz in 56%,
  • Weiterentwicklung zum invasiven Zervixkarzinom in 12%!

 

Tab 1: Differenzierung nach Transformationszonen entsprechend der kolposkopischen Nomenklatur „Barcelona 2002“

Transformationszone 1 (T1) Die Transformationszone liegt vollständig einsehbar auf der Ektozervix.

Transformationszone 2 (T2) Die Transformationszone hat eine endozervikale Komponente, die Plattenepithel-ZylinderepithelGrenze ist jedoch vollständig einsehbar. (z.B. auch nach Spreizung des Muttermundes).

Transformationszone 3 (T3) Die Transformationszone hat eine endozervikale Komponente, die Plattenepithel-ZylinderepithelGrenze ist aber auch nach Spreizung im Zervikalkanal nicht vollständig einsehbar.

 

Der HPV-Test ist bei einem Pap-IVaBefund nicht sinnvoll

Eine abwartende Haltung ist bei Pap-IVa-Befunden nur in seltenen Fällen, und zwar nur kurzfristig bei unsicherer Befundlage vertretbar. Zur weiteren Abklärung kann womöglich die Bestimmung von p16/Ki67 oder die Bestimmung der Onkoproteine E6/E7 beitragen. Der HPV-Test ist bei Pap IVa nicht sinnvoll, da eine schwere Dysplasie bzw. ein Ca in situ obligat mit einer HPV-Infektion assoziiert ist. Verunsicherte Patientinnen sollte man eventuell auch zur Einholung einer Zweitmeinung gezielt an eine spezialisierte Kollegin oder einen spezialisierten Kollegen überweisen. Fatal ist ein zu früh abgenommener erneuter zytologischer Abstrich (mit negativem Dysplasie-Befund). Solche Fehlleistungen können durch gute Kommunikation zwischen Einsendern und Zytologen vermieden werden.

 

Fallbeschreibung

Bei der 25-jährigen Raucherin unter oraler Kontrazeption wurde bei der Krebsfrüherkunngsuntersuchung im Juli 2010 der Verdacht auf eine leichte Dysplasie im Bereich der Cervix uteri erhoben (Pap III D). Der Hybrid-Capture-II-Test war auf High-risk-HPV positiv. Kontroll-Untersuchung im November 2010: Pap III D, d.h. weiterhin Verdacht auf eine leichte Dysplasie. Kontroll-Untersuchung im Februar 2011: Pap IVa, nunmehr Verdacht auf eine schwere Dysplasie des zervikalen Plattenepithels. Die Patientin wurde daraufhin in der Dysplasiesprechstunde vorgestellt.

Befund
Kolposkopisch zeigte sich eine ausgedehnte abnorme Transformationszone mit Punktierung, zum Teil mit intensiv essigweißer Reaktion, in den Zervikalkanal (CK) hineinreichend. Die PlattenepithelZylinderepithel-Grenze war aber vollständig einsehbar. Der T2-KolposkopieBefund entsprach somit einer CIN II-III (Abb. 1).

Histologie
Es wurden 3 Portiobiopsien durchgeführt. Die histologische Untersuchung der Gewebeproben erbrachten den mikrofokalen Nachweis einer schweren Plattenepitheldysplasie (CIN III) mit den Zeichen einer HPV-Infektion. Im April 2011 wurde dementsprechend ambulant unter Kolposkopie-Kontrolle die Hochfrequenzschlingen-Resektion der Läsion (Abb. 2) und anschließend die Zervixabrasio vorgenommen. Histologisch ergab sich: Schlingenkonisat und Zervixabradat ohne Zellatypien. Die vorbeschriebenen Zellatypien wurden offenbar durch die vorausgegangenen Portio-Biopsien bereits komplett entfernt.

Diskussion und Procedere
Es war davon auszugehen, dass bei der 25-jährigen Patientin neben der vollständigen Befundsanierung (Abb. 3) auch eine Elimination der HP-Viren durch den Eingriff erreicht wurde. Dem Auftreten einer CIN III ist nach heutigem Wissensstand eine transformierende HPV-Infektion als Folge einer Immuninkompetenz gegenüber humanen Papilloma-Viren vorausgegangen. Aus diesem Grunde hielt ich es nicht für sinnvoll, die Patientin dem erhöhten Risiko einer Re- bzw. Neuinfektion mit HP-Viren auszusetzen und das Ergebnis eines negativen HPV-Testes nach 6 Monaten abzuwarten, sondern für empfehlenswert, direkt postoperativ mit der Impfung gegen humane Papilloma-Viren vom Typ 16 und 18 (sowie 6 und 11) zu beginnen. In dieser Empfehlung fühle ich mich durch den Beitrag von Frau Dr. med. F. Gieseking, Hamburg [gyn (16) 2011] bestätigt, in dem sie unter Hinweis auf umfangreiche Studien schreibt: Bei operativ behandelten Frauen (siehe Studien) reduzierte die Impfung die Inzidenz der mit den Impfstoff-HPV-Typen assoziierten Rezidive um 74% bei CIN. Nach einem ausfürlichen Gespräch haben wir bei der Patientin am 19.4.2011 mit der Gardasil®-Impfung begonnen.

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